Überall zeigt sich: Der Kapitalismus ist das Problem
Nürnberg. Ein Pinguin und ein Hase bei der Telekom. Die sind dort irgendwie fehl am Platz. Das findet auch die SDAJ-Nürnberg. Die findet aber auch, dass Übernahme der Azubis in Leiharbeit und die schlechte Ausbildungsqualität fehl am Platz ist. Hamburg. Aus verschiedenen Städten kommen SDAJ’lerInnen, GewerkschafterInnen und Azubis zusammen, um die Erfahrungen aus ihren Aktionen gegen Personalmangel und geringe Vergütungen zusammen zu tragen. Bochum. In einer BurgerKing-Filiale werden plötzlich Flugblätter verteilt. Die SDAJ-Bochum klärt darin über aktuelle Situation in vielen Filialen auf: Betriebsräte gekündigt, verspätete Lohnzahlungen, Nicht-Auszahlung von tariflichen Leistungen. Drei Branchen, drei Unternehmen, drei unterschiedliche Fälle, in allen war die SDAJ mit unterschiedlichen Aktionen aktiv.
Stress bei der Telekom…
Früh morgens stehen mehrere SDAJ’lerInnen vor der Berufsschule und verteilen Flugblätter mit der Überschrift: „Die Magenta-Brille gleich absetzen!“ Sie informieren darin, wie die Telekom ihre Azubis in Leiharbeit übernimmt und warum es endlich auch bei der Telekom richtige Ausbilder geben müsste.
Viktor ist nicht in der SDAJ organisiert, trotzdem hat er geholfen das Flugblatt zu schreiben. Er arbeitet bei der Telekom, wo er auch seine Ausbildung gemacht hat. „Es wird Zeit, dass hier endlich was passiert“, meint er: „Deswegen fand ich es gut, wenn die SDAJ so eine Aktion macht und das hab ich natürlich unterstützt.“ Außerdem will Viktor bei der Wahl zu Auszubildendenvertretung antreten. „Ich will versuchen, mehr Leute für ihre Interessen zu aktivieren. Da passiert noch viel zu wenig.“
Im Gespräch mit POSITION schildert Viktor seine Erfahrungen: „Miese Bedingungen gibt’s hier ohne Ende, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.“ Zunächst sei ein grundsätzliches Problem, dass die Telekom in verschiedenste Tochtergesellschaften aufgeglierdert ist. „Dadurch haben alle ihre eigenen kleinen Probleme, niemand fühlt sich für die anderen zuständig, Konkurrenz und Individualisierungsdenken werden geschürt und Solidarität erschwert“, so Viktor.
Im Tarifvertrag ist festgelegt, dass alle Azubis übernommen werden müssen. Faktisch findet die Übernahme aber fast ausschließlich in den konzerneigene Leiharbeitsfirma statt. „1100 netto, 40 Stunden, harte Arbeit, Bereitschaftsdienste auch am Wochenende. So sieht’s dann aus“, berichtet Viktor. Außerdem fehlen richtige Ausbilder. Was eigentlich ein Standard sein sollte, heißt bei der Telekom „Lernprozessbegleitung“. Das sind ganz normale Arbeitskräfte, die quasi nebenbei das Anlernen der Azubis leisten sollen. „Bei überhöhten Zielvorgaben und dem Leistungsdruck, dem die Teams ausgesetzt sind, ist es kein Wunder, dass Ihr als Azubis als billige Arbeitskräfte missbraucht werdet“, schreibt die SDAJ in ihrem Flugblatt. „Als Azubi läuft man halt überall komplett mit und muss wie alle anderen auch die Zielvorgaben erfüllen. Das ist Stress pur und hat mit Ausbildung nichts zu tun“, ergänzt Viktor.
…Praktiken von BurgerKing
Stress haben auch die KollegInnen bei BurgerKing. Seit Mai 2013 gehören 91 BurgerKing-Restaurants in Deutschland der Yi-Ko-Holding. Seit dieser Übernahme wurde der Druck auf die Beschäftigten massiv erhöht. Immer mehr Arbeit soll aus ihren herausgepresst werden – zu immer schlechteren Bedingungen: Der Lohn wird teilweise verspätet ausgezahlt, teilweise überhaupt nicht, tarifliche garantierte Zuschläge für Mehrarbeit und Nachtarbeit werden ebenfalls nicht ausgezahlt. Dagegen begannen einige Betriebsräte sich zu wehren. Die Reaktion: Sie wurden massiv unter Druck gesetzt und gekündigt. Insgesamt laufen oder liefen mehr als 20 Verfahren gegen Betriebsräte, in allen bereits abgeschlossenen Verfahren haben die Betriebsräte Recht bekommen. Darüber hinaus laufen über 300 Verfahren gegen BurgerKing v.a. zur Durchsetzung tariflicher Rechte, wie z.B. dem Weihnachtsgeld. „Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs“, meint Fred von der SDAJ-Bochum. „Niemand weiß wirklich wie viel Geld BurgerKing seinen Beschäftigten unterschlägt. Wir kennen ja nur die Fälle, die mit Hilfe der NGG zur Anzeige gebracht werden. Auch deshalb haben wir uns als Gruppe dazu entschlossen, hier aktiv zu werden und die Kolleginnen und Kollegen nicht allein zu lassen.“ Warum das so wichtig ist, berichtet eine Betriebsrätin von BurgerKing am Rande einer Kundgebung: „Wir brauchen die Unterstützung der Öffentlichkeit. Und hier zeigen die Gewerkschaften und alle die hier sind und ja auch ihr eure Solidarität. Das ist sehr wichtig für uns. Wir müssen einen langen Atem haben, sonst werden wir keinen Erfolg haben.“ Im Laufe der Zeit hat die SDAJ-Bochum diverse Aktionen der NGG unterstützt. Zusätzlich wurden eigene Flyer in BurgerKing-Restaurants verteilt. „Das Echo war positiv, auch von den KundInnen“, berichtet Fred. „Viele haben aus ihren eigenen Jobs ähnliche Schweinereien berichtet.“
Personalmangel bei Asklepios…
Um Schweinerein, aber im Gesundheitswesen, ging es auch auf einer Podiumsdiskussion der SDAJ in Hamburg, mit dabei: Der JAV-Vorsitzenden von Helios in Schwerin, ein Kollege der JAV von Asklepios Hamburg, die ver.di-Jugend Hamburg, Gewerkschaftsaktive und viele SDAJ’lerInnen. Überall sind es ähnliche, wenn nicht die gleichen Probleme: Personalmangel, zu geringe Vergütung, es mangelt bei der Praxisbetreuung und Auszubildende werden als billige Arbeitskräfte missbraucht. „In Hamburg haben wir eine Aktion zu dem privaten Klinikbetreiber Asklepios gemacht. Allein in der Klinik in Hamburg-Altona gab es in der letzten Zeit eine wahre Flut von Überlastungsanzeigen. Die Leute sollen immer mehr in immer weniger Zeit schaffen“, berichtet Kurt. „Die Krankenhäuser brauchen dringend mehr Personal. Darauf haben wir mit unserer Aktion aufmerksam gemacht.“ „Ein ganz klassisches Problem resultierend aus dem Personalmangel ist die mangelnde Praxisanleitung”, meint der JAV-Kollege von Asklepios. „Bei uns z.B. haben wir ein bis zwei Anleiter pro Station. Das ist zu wenig, vor allem weil die KollegInnen ohnehin kaum Zeit haben. Man lernt manches einfach nicht und das kann in der Prüfung Auswirkungen haben.“
Bisher finden die Kämpfe und Auseinandersetzungen noch viel vereinzelt statt. Konflikte und Probleme erscheinen als Einzelfälle. Eine der Schlussfolgerungen aus der Diskussion war es, immer möglichst viele Kolleginnen und Kollegen in die Diskussion mit einzubeziehen und aufzuzeigen, dass wir mit den Problemen nicht allein sind.
…haben einen Zusammenhang
„Viele Probleme werden als individuelles Fehlverhalten interpretiert“, meint Florian Heinrich, Leiter der AG Arbeiterjugendpolitik beim SDAJ-Bundesvorstand, „Das müssen wir ändern. Es geht wesentlich darum, klar zu machen, dass jedes noch so kleine Problem seine Ursache im Kapitalismus hat, egal ob es die geringe Vergütung, die fehlende Übernahme oder die schlechte Praxisanleitung ist.“ Dieser Zusammenhang ist nicht immer gleich zu sehen, vor allem weil die Probleme durchaus recht unterschiedliche sein können: Leiharbeit bei der Telekom, geringe Vergütung im Schweriner Helios Klinikum, Nicht-Auszahlung von Weihnachtsgeld bei BurgerKing. Und dennoch: Überall kommt zu viel Arbeit auf zu wenig Personal, während gleichzeitig Millionen ohne Arbeit sind; überall haben die Leute Angst um ihre Jobs, wegen der fehlenden Übernahme, wegen Leiharbeit, wegen Entlassungen. „Das sind weder Einzelfälle, noch Zufälle“, meint Flo. „Jeder Cent, der beim Unternehmer mehr auf dem Konto liegt, fehlt bei uns und jede Stunde, die wir mehr schuften, vermehrt ihre Profite, während wir meist nur gerade so davon leben können. Jeder Widerstand gegen diese Zustände ist richtig, ob in Bochum, Nürnberg, Hamburg oder sonstwo – letztendlich müssen wir aber den Kapitalismus stürzen und dafür sorgen, dass selbst entscheiden, was, wie und unter welchen Bedingungen produziert wird“, meint Flo.
Jann, Essen